Ich bin Sicherheitsbeauftragte... Was nun? - Die ersten Schritte als SiBe

Sicherheitsbeauftragter im Unternehmen

Tina ist Mitarbeiterin in einem Dienstleistungsbetrieb mit 60 Angestellten und wurde eben zur Sicherheitsbeauftragten ernannt. Sie ist mit dieser Herausforderung nicht alleine und steht hier stellvertretend für alle Personen, denen die Zuständigkeit für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb übertragen wurde. Tina hat per sofort nicht nur eine ganz neue Rolle als Sicherheitsbeauftragte, sondern auch ganz schön viele Fragen! Wir haben die wichtigsten Hintergrundinformationen sowie praktische Instrumente zusammengestellt.

Tina ist Polygrafin in einer Direct Marketing Agentur, ihr Job hat eigentlich nichts mit Sicherheit zu tun. Wie kam es also dazu, dass Tina zur Sicherheitsbeauftragten ernannt wurde? Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Unternehmen zu sorgen. Der Aufbau eines geeigneten Sicherheitssystems ist eine Führungsaufgabe. Zahlreiche Betriebe müssen den Nachweis ihrer Sicherheitsorganisation erbringen.1 Ein Arbeitgeber kann jedoch bestimmte Aufgaben auch delegieren und einen Sicherheitsbeauftragen (kurz SiBe) oder eine Kontaktperson für die Arbeitssicherheit (KOPAS)2 bestimmen. Genau dieser Fall ist bei Tina eingetroffen. Das entbindet ihren Arbeitgeber aber nicht von seiner Verantwortung. Zudem muss dieser die als SiBe oder KOPAS eingesetzte Person entsprechend aus- und weiterbilden, ihr klare Weisungen erteilen und sie mit entsprechenden Kompetenzen ausstatten.3 Funktionsdiagramme und klare Stellenbeschriebe mit einem für jede Funktion festgelegten Pflichtenheft erweisen hier gute Dienste. So weiss jeder im Betrieb, was zu seinem Aufgabenbereich gehört und welche Kompetenzen und Verantwortlichkeiten seiner Funktion zugeteilt sind.

Die ersten Schritte als Sicherheitsbeauftragte

Der Start in die Rolle als SiBe kann ganz schön beschwerlich sein. Denn gerade im Büro sind die Gefahrenquellen und Risiken nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Zum Glück muss Tina das Rad nicht neu erfinden, sondern kann auf bestehendes Hilfsmaterial und erprobte Vorgehensweisen zurückgreifen:

  • Wissen aufbauen: Tina muss sich zuerst ein Grundwissen in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz aneignen. Die Ausbildung erfolgt entweder im Selbststudium oder idealerweise in einem branchenspezifischen Kurs. Solche Kurse werden in der Schweiz von verschiedenen privaten Beratungs- und Ausbildungsorganisationen oder von Trägerschaften überbetrieblicher ASA-Lösungen angeboten. Kleine Betriebe des Dienstleistungssektors ohne besondere Gefährdungen erhalten zudem mit den Lernmodulen der EKAS die Möglichkeit, einen Teil des erforderlichen Grundwissens zu erlangen und zu festigen. Ist vertieftes Fachwissen erforderlich, können SiBes auch die eidgenössische Berufsprüfung als Spezialist/in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (ASGS) oder den von der Suva organisierten EKAS-Lehrgang als Sicherheitsfachmann/-fachfrau gemäss Eignungsverordnung absolvieren.  

  • Standortbestimmung: Mit dem Selbsttest der SUVA kann Tina anhand eines Fragebogens klären, wo ihr Betrieb bezüglich Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit aktuell steht und welche Präventionsmassnahmen angebracht sind.

  • Aufbau bzw. Weiterentwicklung des Sicherheitssystems: Nach der Standortbestimmung wird es konkret: Es geht an die Erarbeitung oder die Weiterentwicklung eines Sicherheitssystems für den Betrieb. Ist der Betrieb einer Branchenlösung angeschlossen, kann er auf das Know-how der Trägerschaft und deren Unterlagen zurückgreifen. Die Branchenlösungen stellen den angeschlossenen Unternehmen ein System in Form eines Handbuchs mit Checklisten zur Verfügung und bieten Schulungen sowie andere Dienstleistungen an. Die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS publiziert auf Ihrer Webseite alle von ihr zertifizierten Branchenlösungen.

Möchte der Betrieb lieber eine individuelle Sicherheitslösung erarbeiten, so fallen dem SiBe hauptsächlich Aufgaben im Bereich der Beratung und Planung zu. Die Verantwortung für die Entscheidung und die Umsetzung trägt jedoch der Arbeitgeber.

Die laufenden Aufgaben als Sicherheitsbeauftragte

In der Praxis hat sich die 10-Punkte-Systematik der EKAS als Gliederung für das betriebliche Sicherheitssystem bewährt. Die spezifischen Aufgaben eines SiBes wie Tina können wie folgt umschrieben werden:

1. Sicherheitsleitbild, Sicherheitsziele

Tina berät die Geschäftsleitung bei der Formulierung des Sicherheitsleitbilds und bei der Festlegung der Ziele in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Sie übernimmt eine aktive Rolle, wenn es darum geht, das Leitbild und die gesteckten Ziele den Mitarbeitenden zu kommunizieren.

2. Sicherheitsorganisation

Tina plant und bearbeitet zusammen mit der Geschäftsleitung das betriebliche Sicherheitskonzept und stellt dessen Aktualisierung sicher. Sie berät den Arbeitgeber bei der Regelung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten bezüglich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb. Bei besonderen Gefahren, bei fehlendem Spezialwissen oder bei betrieblichen Veränderungen beantragt sie den Beizug eines Spezialisten der Arbeitssicherheit (ASA).

3. Ausbildung, Instruktion, Information

Auch die Einführung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die regelmässige Instruktion aller Mitarbeitenden bezüglich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz gehören zu Tinas Aufgaben. Sie berät und unterstützt dabei die Linienverantwortlichen. Sie beschafft dazu aktuelle Informationen und Publikationen und leitet sie an Betriebsangehörige weiter. Wichtig ist vor allem, die durchgeführten Instruktionen und Ausbildungen zu dokumentieren.

4. Sicherheitsregeln, Standards

Als SiBe sorgt Tina zusammen mit Vorgesetzten für die Implementierung von Sicherheitsstandards in den Betrieb. Beispielsweise durch die Beschaffung sicherheitskonformer Arbeitsmittel und geeigneter persönlicher Schutzausrüstungen, durch Kontrollen der Wirksamkeit der Schutzmassnahmen und Schutzeinrichtungen oder durch das Einhalten der Sicherheitsbestimmungen bei allen Arbeiten.

5. Gefährdungsermittlung, Risikobeurteilung

Zur Gefährdungsermittlung und Risikobeurteilung gehören gebäudebezogene Aspekte wie zum Beispiel Stolperstellen und Fluchtwege, aber auch das korrekte und ergonomische Einrichten von Arbeitsplätzen. Die EKAS bietet in der Broschüre «Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz für KMU des Dienstleistungssektors» eine Hilfestellung zur Gefährdungsermittlung. Tina dokumentiert die Ergebnisse und überprüft diese regelmässig. Bei Unfällen unterstützt sie die Linienverantwortlichen bei der Unfallabklärung und hält die Vorfälle fest.

Nicht nur für Sicherheitsbeauftragte: Security-Check per App

Die effiziente & kostenlose App EKAS-Checkbox hilft, den Arbeitsplatz mit wenig Aufwand auf Sicherheit und Gesundheit zu prüfen. Die Resultate lassen sich ganz einfach dokumentieren und für die Weiterverwendung exportieren.

6. Massnahmenplanung

Anhand der Gefährdungsermittlung plant, realisiert und dokumentiert Tina Sicherheitsmassnahmen inkl. Schwerpunktprogramme und Kampagnen.

7. Notfallorganisation

Für die Notfallorganisation muss Tina zusammen mit den Linienvorgesetzten eine wirksame Notfallorganisation aufbauen, das notwendige Erste-Hilfe-Material beschaffen und regelmässig dessen Einsatzbereitschaft überprüfen. Zudem instruiert sie die Mitarbeitenden über die Organisation und das Verhalten im Notfall.

8. Mitwirkung

Die Mitwirkung der Arbeitnehmenden ist in Bezug auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz gesetzlich vorgeschrieben. Sie berät den Arbeitgeber und macht Vorschläge, wie die Mitwirkung gewährleistet werden kann.

9. Gesundheitsschutz

Auch der Gesundheitsschutz muss entsprechend den gesetzlichen Vorgaben umgesetzt werden. Besonders wichtig sind die Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeitenregelung, der Sonderschutz bestimmter Personengruppen (schwangere Frauen und Jugendliche) sowie die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze und -abläufe.

10. Kontrolle, Audit

Tina führt eine Unfall- und Absenzenstatistik (Absenzenmanagement) und informiert ihren Arbeitgeber darüber. Zudem plant und dokumentiert sie Sicherheitsinspektionen im Betrieb.

Die Herausforderungen der SiBe-Doppelrolle

Inzwischen hat sich Tina in die Rolle des SiBes eingelebt und weiss: Die Aufgaben eines SiBe erledigen sich nicht von alleine mit einem guten Sicherheitskonzept – sie muss ständig am Ball bleiben.

Zusätzlich zu den Aufgaben als SiBe muss Tina auch ihre vorherige Tätigkeit ausüben. Dies stellt eine Doppelbelastung dar und führt zu Stress und nicht zuletzt zu Überstunden. Auch wird sie durch Fragen von Mitarbeitenden vermehrt bei Arbeitsabläufen unterbrochen und in der Konzentration gestört.

Manchmal erlebt sie die neue Arbeit auch als undankbar – Ihre Kollegen zeigen sich wenig kooperativ oder sind zu bequem, wenn es darum geht, Massnahmen zu unterstützen. Lob für ihre zusätzliche Arbeit kriegt sie sehr selten, weil diese kaum sichtbar ist. Die Konsequenzen bei einem Unfallereignis bekommt sie hingegen unmittelbar zu spüren.

Aber Tina weiss sich zu helfen und hat Möglichkeiten gefunden, ihre Arbeitssituation zu verbessern und sowohl ihre Rolle als Sicherheitsbeauftragte als auch als Mitarbeiterin im Betrieb unter einen Hut zu bringen:

  • Doppelbelastung: Zusammen mit ihrem Vorgesetzten ergänzt Tina die neuen Aufgaben als SiBe in ihrer Stellenbeschreibung. Es wird schnell klar, dass sie entweder gewisse andere Aufgaben abgeben oder ihr Arbeitspensum angepasst werden muss.

  • Gestörte Arbeitsabläufe: Um bei ihren anderen Aufgaben nicht so häufig gestört zu werden, hat Tina ein Zeitfenster kommuniziert, in welchem sie ihren Mitarbeitenden als SiBe für Informationen zur Verfügung steht. Ebenfalls hat sie eine zusätzliche E-Mail-Adresse dafür eingerichtet. Nun kann sie sich gezielt um die Anliegen kümmern.

  • Vernetzung und Austausch: Tina besucht Kurse und Weiterbildungen im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. So kann sie nicht nur ihre Fachkenntnisse erweitern und die Sicherheitsmassnahmen bei ihren Kollegen besser legitimieren, sondern auch ein Netzwerk aufbauen und sich mit anderen Sicherheitsbeauftragten austauschen, fachlich und menschlich.


1 Vgl. EKAS-Richtlinie 6508 über den Beizug von Arbeitsärzten und anderen Spezialisten der Arbeitssicherheit (ASA-Richtlinie). Die Sicherheitsorganisation ist nachzuweisen in Betrieben mit besonderen Gefährdungen und mit 10 oder mehr Mitarbeitenden sowie in Betrieben ohne besondere Gefährdungen mit 50 oder mehr Mitarbeitenden.   

2 Kontaktpersonen Arbeitssicherheit sind in der Regel Sicherheitsbeauftragte in kleinen und mittleren Betrieben, die einer Branchenlösung angeschlossen sind.

3 Art. 7 Verordnung über die Unfallverhütung VUV.

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